Quantcast
Channel: Geistbraus » Politik
Viewing all articles
Browse latest Browse all 69

Von dem Wulff un syner Fru

$
0
0

Begehre nicht, was Dir nicht zukommt!

Ja, auch heutzutage gibts noch Märchen! Eins geht so:

Es lebte einmal ein grauer Wulff in einer grauen Stadt. Er war ein einfacher, gutmütiger Kerl, an dem nichts besonderes war, nichts gutes und nicht schlechtes. Eines Tages riss dieser graue Wulff ein Schaf, das war eigentlich eine Fee, und die gewährte ihm drei Wünsche. Der Wulff sprach: “Ach, ich möchte nicht länger ein grauer Wulff sein, an dem so gar nichts besonderes ist. Ich will doch ein großer Kerl sein! Los, Fee! Gib mir Frauen! Gib mir Macht!”

Und es geschah so. Er traf Bettina. Sie war zwar nicht besonders hübsch oder klug, aber blond und tätowiert, und das fand der graue Wulff cool. Andere fanden das spießig (N.B. sehr empfehlenswert übrigens), aber solche Logik war dem grauen Wulff fremd, der ja doch nur ein einfacher, gutmütiger Kerl war. So erfüllte ihm die Fee seinen innigsten Wunsch: Bettina wurde seine Frau, und er wurde der größte Mann im ganzen Land.

Doch bald reichte ihm das nicht mehr. Bettina wünschte sich einen großen Palast am Meer ein Einfamilienhaus in der Vorstadt. So ging der graue Wulff wieder zu der Fee.

“Nun, was ist dein zweiter Wunsch?” fragte sie ihn. Wulff antwortete: “Ich habe eine Frau, und ich habe Macht! Doch ich habe keine Mittel, meinen Status angemessen darzustellen! Los, Fee! Beschaff mir Geld! Beschaff mir einflussreiche Freunde!”

Und es geschah so. Es fügte sich, dass er sich von seinen Freunden Geld leihen konnte, und er baute sich eine prächtige Wohnstatt. Er verkehrte mit den Größten aus der ganzen Welt, und er freute sich, dass er nun jemand ganz besonderes, ein Mann voller Ruhm und Glanz geworden war.

Doch da er nun so groß und reich und mächtig war, begannen seine Feinde sich um ihn zu sammeln und zu suchen, wie sie ihn verschlängen. Die Diekmänner kreisten über seinem Haupt, und schon begannen sie zuzustoßen. Schnell stürzte er vom Sockel seines hohen Amtes. Er rief seine Freunde, doch sie waren verschwunden. Er rief seine Frau, doch sie wurde bockig und schimpfte mit ihm und lästerte über ihn, bestellte den Psychologen ein und schrieb Bücher voller Gemeinheiten.

Als der graue Wulff sich nun so in seinem Elend sah, fiel ihm wieder die Fee ein.

“Ich habe doch noch einen dritten Wunsch frei?”, sprach er zu ihr. “Gewiss doch”, antwortete sie. – “Liebe Fee, wenn ich mir jemals etwas gewünscht habe, so wünsche ich mir dies: befrei mich von diesem gehässigen Weib, befrei mich von diesem unglückseligen Haus, befrei mich von diesem erbärmlichen Leben!”

Und es geschah so. Nun war er wieder der kleine graue Wulff in der kleinen grauen Stadt. Bettina lebte in seiner ehemaligen Wohnstatt herrlich und in Freuden, und der graue Wulff mietete sich eine kleine Wohnung.

Und nie mehr wird er sich wünschen, dass Märchen wahr werden.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 69