Ich hab Benjamin von Stuckrad-Barre ja immer scheiße gefunden, weil ihn alle immer scheiße fanden, bis ich dies hier las und dann doch mal seine Sendung anschaute, aber darum solls hier gar nicht gehn. Sondern darum, dass ich dadurch endlich mal die kompletten historischen Sätze vom Loup chrétien gehört habe, also sein unvergessenes Geheule betreffs dessen dass der Islam zu Deutschland gehöre, was man bei Stuckrad freilich nicht hören kann, aber das möge jeder selbst sehen, ebenso, wie der Brüderle Rainer den Benjamin das Fürchten lehrt.
Die historischen Sätze heben also an:
Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland.
Und da denke ich mir, dass das eigentlich der viel größere Skandal ist als der Satz, der dann noch hinterherkommt.
Nehmen wir mal an, der Papst würde – etwa in Bezug auf die aktuelle Zusammensetzung des amerikanischen Supreme Court – folgendes äußern:
Irland gehört zweifelsfrei zur katholischen Kirche. Italien gehört zweifelsfrei zur katholischen Kirche. Aber, meine Brüder und Schwestern, die USA gehören inzwischen auch zur katholischen Kirche.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern sicher auch in Italien und in Irland würde man sich gegen solch arrogante Vereinnahmung verwahren. Ganz abgesehen davon, dass ein Staat kein Mensch ist, nicht getauft werden kann und kein ewiges Seelenheil zu gewinnen oder zu verlieren hat.
Drehen wirs nun wieder vom Arsch auf den Bauch: Ganz abgesehen davon, dass eine Weltreligion kein Mensch ist, keinen Pass bekommt und kein Staatsbürger eines Landes werden kann, müssen wir uns als Christen gegen eine solch arrogante Vereinnahmung verwahren!
Das Christentum ein Teil Deutschlands? So wie Hessen ein Teil Deutschlands ist? Natürlich meint es der Loup chrétien nicht so. Von der syntaktischen Gleichgestaltheit der Sätze darf man nicht auf inhaltliche Gleichgestaltheit schließen. Soviel Sprachkultur muss sein. Aber das, was der Loup in Wahrheit gemeint hat, ist nicht viel besser. Ich würde es mal so transkribieren: Das Christentum und Deutschland haben seit langer Zeit eine gemeinsame Schnittmenge. Diese Schnittmenge gehört neben vielen anderen Schnittmengen – jener mit dem Judentum, jener mit der Aufklärung, jener mit den Leistungen in Kultur und Wissenschaft usw. – zu den Faktoren, die Deutschland ausmachen.
Hört sich erstmal sympathisch an, ist aber grundfalsch. Le Loup chrétien sitzt dabei mindestens zwei fehlerhaften Annahmen auf.
Erstens: Zwischen Christentum und Deutschland ließe sich eine Schnittmenge bilden. Das ist ein grober Kategorienfehler. Eine Schnittmenge lässt sich z.B. zwischen dem Deutschland in den Grenzen von 1937 und den heutigen osteuropäischen Staaten bilden. Heraus kommen die deutschen Ostgebiete. Ein Schnittmenge lässt sich auch zwischen den Territorien von Deutschland und Spanien bilden. Die Schnittmenge ist leer, aber das ändert nichts daran, dass man sie formal korrekt bilden kann. Hingegen kann man keine Schnittmenge zwischen Deutschland und Dienstag bilden. Die Wortkombination “alle deutschen Dienstage” ist sinnlos, sie bezeichnet nichts. Die Schnittmenge ist nicht leer, sondern schlicht unzulässig. Ebenso alle daraus abgeleiteten Aussagen, z.B. “die Hälfte aller Dienstage ist deutsch”, “Deutschland besteht unter anderem aus Dienstagen”, “der gewöhnliche Dienstag ist zu einem Fünftel deutsch” usw.
Gleiches gilt für eine Schnittmenge aus Deutschland und Christentum. Deutschland ist eine historisch, geographisch und kulturell mehr oder weniger abgegrenzte Teilmenge der sichtbaren Welt, das Christentum hingegen ist die frohe Botschaft von unserer Erlösung durch Kreuz und Auferstehung Jesu Christi. Eine Botschaft und ein Staatsgebilde kann man nicht schneiden, ebensowenig wie man etwa eine Schnittmenge aus der “I have a dream”-Rede und einem Sperling bilden kann.
Zweitens: Man könne das Christentum enumerativ in eine Reihe stellen mit Aufklärung, Kultur, Wissenschaft usw. – Nehmen wir dazu an, Deutschland sei ein Apfel. Einen konkreten Apfel kann man z.B. charakterisieren durch Farbe (rot), Größe (9,5 cm), Geschmack (etwas mehlig) usw. Man kann den Apfel aber nicht dadurch charakterisieren, dass er an einem Baum gewachsen ist. Das ist zwar richtig, trifft aber auf jeden Apfel zu.
Wenn man Deutschland dadurch näher bestimmt, dass es (z.B.) von Aufklärung, Christentum, klassischer Musik und Schwarzbrot charakterisiert sei, dann ist diese Enumeration in Bezug auf das Christentum eine Nullaussage. Denn das Christentum ist nicht wie Schwarzbrot. Man kann Schwarzbrot mögen oder auch nicht und in diesem Fall dann eben Weißbrot essen. Das Christentum aber ist die wahre und einzige Verheißung unserer Erlösung. Afghanistan ist darum genauso durch das Christentum charakterisiert, denn auch in Afghanistan wird ein Mensch nur durch Christus gerettet, ebenso in Honululu, Bangkok, Zentralafrika oder auf dem Mond. Die ganze Schöpfung ist durch das Christentum charakterisiert, weil Christus der Pantokrator der ganzen Schöpfung ist.
Wulffs Aussage ist also in doppelter Hinsicht Nonsens. Sie ist nicht falsch, sondern einfach sinnlos. Genauso wie der Satz “Ich schunk wohl machen” sinnlos ist. Als letzte Ehrenrettung könnte man nur noch konzedieren, er habe in Wirklichkeit nur sagen wollen, dass in Deutschland eben schon seit langer Zeit viele Christen leben. Diese Aussage ist zweifellos zulässig und korrekt. Aber dann ist seine Fortsetzung alles andere als revolutionär. Die heißt dann nämlich transkribiert: “In Deutschland leben heute auch viele Muslime”. Danke, Christian, das habe ich schon gemerkt.