Der Koran ist 1400 Jahre alt. Das Neue Testament ist 2000 Jahre alt. Das Alte Testament ist bis zu 3000 Jahre alt.
Dann kommt ein Sektenführer und verfasst eine dogmatische Konstitution, die in mehreren Teilen diesen Heiligen Schriften der drei abrahamitischen Religionen widerspricht. Der Sektenführer fordert die Vertreter dieser Religionen daraufhin auf, sich von den entsprechenden Passagen in ihren Schriften zu distanzieren. Was werden sie tun? Sie werden ihn auslachen.
Wirklich?
Der Sektenführer heißt Vater Staat, die dogmatische Konstitution heißt Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und ist gerade mal ein gutes halbes Jahrhundert alt. Aktuell fordert die Partei “Die Freiheit” die Muslime in Deutschland auf, allen “verfassungsfeindlichen” Aussagen des Korans abzuschwören. Nun stehen im Koran gewiss merkwürdige Dinge. Auch Aufforderungen, die, in die Realität umgesetzt, strafrechtlich relevant wären. Aber für diesen Zweck haben wir das Strafrecht. Heute schon. Wir brauchen nicht zusätzlich eine Gedankenpolizei.
Ich möchte nicht in einem Staat leben, wo ich nur an das glauben darf, was mir der Staat erlaubt. Ich möchte das Königtum Christi bekennen können, ohne dass mir entgegenschallt “Du bist des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum König macht, der ist gegen den Kaiser!” – Ich möchte, wenn ich denn wollte, auch an die wörtliche Offenbarung des Korans oder an die Nichtexistenz des Holocausts glauben dürfen, ohne dafür eingesperrt zu werden. Wenn ich als Folge dieses Glaubens Bomben hochgehen lasse oder türkische Gemüsehändler erschieße, sieht es natürlich anders aus. Aber erst dann.
Als Christ muss ich mich wohl momentan vor der Partei “Die Freiheit” nicht fürchten. Denn die Herren gehen davon aus, dass “die Bibel als eine Sammlung von Erzählungen gestaltet ist, die eine zeitgemäße Auslegung erlauben”, hingegen sei “der Koran in Befehlsform verfasst und nicht auslegungsfähig”. Wenigstens einmal kann ich froh sein, dass das Christentum hierzulande den Leuten nur in seiner kastrierten EKD-&-DBK-Version bekannt ist.
Allerdings weiß ein jeder, dass es im Judentum den Grundsatz “Aug um Auge, Zahn um Zahn” gibt. Und das, meine Herren, klingt doch verdächtig ähnlich wie die inkriminierte Koransure 2, 178:
“Bei Totschlag ist euch die Wiedervergeltung vorgeschrieben: ein Freier für einen Freien, ein Sklave für einen Sklaven und ein weibliches Wesen für ein weibliches Wesen.”
Müssen die Juden also nun Angst haben vor der Partei “Die Freiheit”? Müssen sie sich bald wie die Muslime den “Aufruf zu Mord, Totschlag, Körperverletzung, Krieg”, somit den Verstoß gegen Grundgesetz, Strafgesetzbuch, Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte, Völkerstrafgesetzbuch, UN-Charta, Europäische Menschenrechtskonvention und Charta der Grundrechte der EU nachsagen lassen?
Gewiss nicht. Die Juden sind doch unsere Freunde. Es geht doch hier nicht um die Juden! Nein, nein! Nicht die Juuden!! So sieht man also, worum es der Partei “Die Freiheit” geht: um simple Stimmungsmache gegen den Islam. Oder, etwas pointierter formuliert: Deutschland den Deutschen, oder gerne auch universeller: Abendland in Christenhand. Zu diesem Zweck kippen sie gleich mal die Freiheit der Religionsausübung über Bord. Heute betrifft uns das noch nicht. Doch wer sich heute als Christ der Stimmungsmache gegen den Islam nicht entgegenstellt, muss sich nicht wundern, wenn es morgen gegen die “erzkonservativen Katholiken” geht.
Der beste Kommentar zu dem Partei-Pamphlet stammt übrigens von User Hopefull, der nicht nur in seinem Nickname ein kreatives Verhältnis zur Rechtschreibung offenbart – weswegen ich seinen begeisterten Kommentar in aller orthographischen Zweideutigkeit einfach mal unkommentiert stehenlasse:
Fantatisch auf den Punkt gebracht.